Wahre Liebe - eine Geschichte

Mit tränenüberfüllten Augen starrte sie auf ihre blutverschmierten Hände, die noch immer auf ihrem Schoss lagen. Dort, wo ER gerade noch gelegen hatte. Die Tränen liefen über ihre zarten Wangen herunter. Sie konnte es nicht glauben. Ihr Blick war noch immer auf ihren Schoss gerichtet. Genau dorthin, wo der sterbende Ritter lag als er seinen letzten Atemzug machte. Eine Träne tropfte von ihrer Wange und fiel auf ihre Hand. Sie schloss die Augen. Sie schloss die Augen und fühlte den Schmerz, den Verlust. Sie konnte seine letzten Worte noch hören, sie hallten aus weiter Ferne in ihren Ohren: „Vergebt mir, Mylady, diesmal kann ich Euch nicht nach Hause geleiten. Ich wäre für Euch bis ans Ende der Welt gegangen, doch ist meine Reise nun zu Ende. Ich…“. Das Atmen fiel im schwer, Blut trat aus der Wunde an seiner Brust heraus. Sie konnte ihn genau vor sich sehen. Ihr Herz drohte zu zerspringen. Sie liebte ihn doch so sehr. Der Ritter hustete und rang nach Luft, doch seine Augen sahen nur die ihren. Nichts konnte diesen Blick trüben, nicht einmal der bevorstehende Tod. „Ich…“, er versuchte erneut zu sprechen, „ich…werde niemals Euer wunderschönes Gesicht vergessen.“ Unter Schmerzen und mit allerletzter Kraft versuchte er seine Hand an ihre Wange zu führen, welche so sehr von Tränen überzogen war. „Verzagt nicht, …Mylady, …verzagt niemals…ich werde Euch immer lieben…“. Ihre Hand umfasste die seine, und sie küsste die raue Innenseite seiner Hand, als sie bemerkte, dass mit seinem letzten Atemzug das Leben aus ihm gewichen war. Und doch war sein Blick noch immer auf sie gerichtet, ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, ein zufriedenes Lächeln.


Sie öffnete ihre Augen und blickte gen Himmel. Dieser Schmerz, diese Hilflosigkeit brachten sie fast um den Verstand. Tränen über Tränen benetzten ihr Gesicht, als sie den Blick wieder auf ihre Hände richtete. Und in diesem Augenblick bemerkte sie, dass ihre Hände nicht mehr mit Blut bedeckt waren. Nicht nur, das der Ritter, um den sie so bitterlich weinte, nicht mehr da war, nun war auch das Blut völlig spurlos verschwunden. Sie blickte sich verstört um, sie konnte nicht verstehen, was hier vorging. Ungläubig blickte sie wieder auf ihre Hände, als sie von etwas an ihrer Schulter berührt wurde…



War es nur Einbildung gewesen? Anna war sich nicht sicher. Seit einigen Stunden war sie bereits durch diesen Wald spaziert, einsam und allein. Sie hatte sich zwar mit ihrem Freund verabredet, doch der war noch nicht hier. Niemand war hier, nur sie, und die Geräusche der Natur. Doch dieses Geräusch, das sie gerade gehört hatte, passte nicht hierher. Sie war sich nicht ganz sicher, jedoch hörte es sich gerade so an, als würde irgendwo eine Schlacht stattfinden. Sie hielt kurz die Luft an um genauer hinhören zu können, hatte sie wirklich das Klirren von Schwertern und Kampfschreie gehört? Vielleicht ein paar seltsame Mittelalterfanatiker, die sich hier im verlassenen Wald einen kleinen Schwertkampf lieferten, möglich wäre es ja. Sie ließ sich nicht weiter beunruhigen und ging ihres Weges. Hier konnte sie sich richtig entspannen und die Natur genießen. Kein Straßenverkehr in nächster Nähe, kein Großstadtlärm, es war einfach nur schön. Von der Einfachheit und Schönheit dieses Waldes ließ sie sich zum Träumen verführen. Sie streckte ihre Arme aus, schloss ihre Augen und atmete die reine Luft tief ein und genoss dabei den harzigen Duft der Nadelbäume rings um sie. Anna war schon des Öfteren in diesem Wald gewesen und wusste genau, wo wunderschöne Lichtungen, kleine Teiche oder prächtige Wiesen zu finden waren. Sie war gerne hier auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde, das so unberührt schien, als gäbe es gar keine Menschen. Da war es auf einmal wieder, dieses Schwerterklirren und die Kampfschreie. Somit wusste Anna nun, dass sie sich das alles nicht eingebildet hatte und versuchte herauszufinden, woher dieser Lärm kam. Sie erreichte eine kleine Lichtung hinter der eine riesige Wiese lag. Vorsichtig näherte sie sich Schritt für Schritt der Mitte der Wiese, wo ein seltsam geformter Baum stand. Die Schreie und das Geklirre der Waffen waren eindeutig zu hören, jedoch konnte Anna niemanden sehen. Sie ging weiter auf den Baum zu und drehte sich dabei oft um, damit ihr nicht die kleinste Kleinigkeit entgehen konnte, jedoch, da war einfach nichts…nur dieser Lärm. Verwirrung erfasste sie, Verzweiflung packte sie, …sie hörte Geräusche, die nicht da waren…was sollte das nur bedeuten? Beim Baum angekommen, lehnte sie sich mit ihrem Rücken dagegen und wollte erst einmal klar im Kopf werden. Irgendetwas lief hier mächtig schief. Sie verstand nicht, was hier geschah. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als das ihr Freund endlich bei ihr wäre. Doch sie war allein, ganz allein, und sie hörte seltsame Geräusche, die offensichtlich aus nächster Nähe kamen, wo jedoch nichts zu sehen war. Und genauso überraschend wie dieses Kampfgeschrei und Schwertergeklirre angefangen hatte, war es wieder weg. Anna fasste sich an den Kopf, die Gedanken in ihrem Gehirn überschlugen sich. Einbildung? Gehirntumor? Alle möglichen Fragen kamen in ihr auf, jedoch ohne jegliche Antwort. Ganz langsam ließ sie sich auf den weichen Boden unter dem Baum sinken. Sie zog ihre Knie ganz eng an sich heran, legte den Kopf in ihren Schoss und schloss die Augen. Das ganze kann doch gar nicht passieren, vielleicht träumte sie das alles nur. Das war die einzig mögliche Erklärung…ein Traum…natürlich, sie träumte. Beseelt von dieser Erkenntnis wollte sie ihren Kopf heben als in diesem Moment erneut der Kampflärm ertönte. Anna konnte sich nun gar nicht mehr motivieren aufzublicken. Sie wusste, dass vor ihr nichts war, warum also aufsehen. Damit würde sie sich ja keinen Gefallen tun, sie würde von jetzt an alles ignorieren. Dies schien ihr die beste Lösung.


Es wird ja wohl von selbst wieder aufhören, es hatte ja auch von selbst angefangen. Sie würde einfach warten, bis alles vorbei war. Doch irgendetwas war jetzt anders als vorher. Der Kampf klang näher, bedrohlicher, als zuvor. Was war, wenn dies kein Traum war? Vielleicht schwebte sie in Gefahr, vielleicht schwebten andere Menschen in Gefahr. Welche Irren das auch immer waren, sie meinten es anscheinend ernst. Vorsicht ist besser als Nachsicht, wie es so schön heißt. Das hieß also einen Blick riskieren, einen ganz kleinen, und sollte da nichts sein, was sie bedroht, war sie sich wenigstens sicher, langsam aber sicher verrückt geworden zu sein. In dem Moment als sie zaghaft ihren Kopf hob, brach vor ihr ein blutverschmierter Ritter ächzend zusammen. Anna erschrak so sehr, dass sie aus ihrer Sitzposition aufsprang und sich sofort hinter dem Baum versteckte. „Oh mein Gott, was war hier nur los?“ fragte sie sich selbst. Nachdem sie endlich den Blick von dem zusammengebrochenen Mann, der einen schwarz-weißen Wappenrock trug, nehmen konnte, realisierte sie erst, das unmittelbar vor ihr tatsächlich eine blutige Schlacht im Gange war. Mann gegen Mann, Schwert gegen Schwert, kein Erbarmen. Ritter in schwarz-weißen Wappenröcken kämpften unerschrocken gegen wild aussehende Krieger, welche Tierfelle über ihren Schultern trugen. Anna hielt sich am Baum fest, als könnte er sie beschützen und so verfolgte sie das grausige Spektakel. Schwerterklirren, Schreie von Verwundeten, Schreie von Sterbenden, die Wiese nicht mehr Grün sondern Rot von Blut. Diese Schlacht, sowie all das Leid, welches sie beobachtete, hielt sie so sehr in ihrem Bann, dass ihr gar nicht gleich bewusst wurde, dass sich auch ihre Kleidung geändert hatte. Vorher hatte sie eine einfache schwarze Jeans an und ein T-Shirt, doch nun trug sie ein mittelalterliches Kleid, das an einigen Stellen zerrissen war. Leidend musste Anna mit ansehen, wie ein Ritter nach dem anderen starb. Doch gab es einen unter diesen tapferen Rittern, dem sie besonderes Augenmerk schenkte. Sie wusste nicht wirklich warum, jedoch kam er ihr so sonderbar bekannt vor. Er kämpfte tapfer, er kämpfte furchtlos. Seine Furchtlosigkeit gab ihr Hoffnung. Eine seltsame Art von Hoffnung, welche Anna das Gefühl gab, das nach diesem einen Kampf alles besser werden würde. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie so fühlte, es war einfach so. Die Schlacht näherte sich ihrem Ende, nicht mehr viele Ritter waren auf den Beinen, viele lagen verwundet oder tot auf dem Erdboden. Anna konnte sich nicht erklären, worum diese Schlacht ging, sie wusste nicht wer diese Krieger waren oder wofür sie kämpften. Das alles war in ihren Augen irrelevant. Ihre Gedanken, ihr Herz schlug aus unerklärlichen Gründen nur für diesen einen Ritter, der ihr so bekannt vorkam. Und aus tiefstem Herzen liebte sie ihn.


Die Schlacht war vorbei. Anna kam hinter dem Baum hervor und ging auf die noch stehenden Ritter, darunter dieser eine Ritter, dem ihr Herz gehörte, zu. Dieser erblickte Anna und sein ernstes Gesicht wurde weich und herzlich, er freute sich so sehr sie zu sehen. Nichts hatte er sich sehnlicher gewünscht. „Mylord Rodebert“, rief Anna, sicher wissend, dass dies sein Name war, „ich fürchtete so sehr um Euer Leben, den Göttern sei Dank, es geht Euch gut!“ „Ich kämpfte nur so tapfer, Mylady, um Euch wiederzusehen. Euer Antlitz schauen zu dürfen, ist für mich der Schlachten kostbarster Lohn“, und er verneigte sich vor ihr. Dabei bemerkte Anna, dass der Kampf an ihm nicht spurlos vorübergegangen war. Er hatte zahllose Schnitte am Arm abbekommen und sein Wappenrock war in Bauchhöhe durch einen Schwertstreich aufgetrennt worden. Sie fasste seine Hand, hielt sie zu ihrer Wange und kniete sich vor ihn hin. Tränen des Glücks rannen über ihre zarte Haut, sie war glücklich, ihn in Sicherheit zu wissen. Rodebert blickte zu seinen Waffenbrüdern und zeigte Ehrerbietung für ihren tapferen Kampf durch einen danksagenden Blick und ein Kopfnicken. Im selben Augenblick spürte Rodebert ein scharfes Brennen in seiner Schulter und eine Speerspitze ragte vorne aus seiner Brust heraus. Völlig verwirrt drehte er sich um und sah einen der feindlichen Krieger, in den letzten Atemzügen, vor sich auf den Knien. „Dies… ist für meinen Bruder, …den ihr am heutigen Tag getötet habt,… es möge auch Euer Todestag werden…“. Rodebert stand da und sah, wie sich die Augen des Mannes verdunkelten und dieser tot zur Seite kippte. Schwer atmend drehte sich Rodebert wieder zu Anna um und fiel auf die Knie. Seine Waffenbrüder eilten herbei, doch kam in diesem Fall jede Hilfe zu spät. Seine Lunge war durchbohrt – es war nur noch eine Frage von Minuten, bis Rodebert seinen Ahnen nachfolgen würde. Anna konnte dies nicht fassen, eben noch hatte Rodebert diese grausame Schlacht heil überlebt und würde bei ihr bleiben, und nun wird er ihr wieder so furchtbar entrissen. Tränen der Verzweiflung und des Zorns stiegen in ihren Augen hoch. Sie wollte es nicht so enden lassen, sie liebte ihn doch so sehr. Doch sein Schicksal war besiegelt. Rodebert wurde immer schwächer und so bat sie seine Waffenbrüder in vorsichtig hinzulegen, dass er mit seinem Kopf in ihrem Schosse entschlafen möge, damit sie so nah es geht bei ihm sein konnte, bis zum Ende…


Mit tränenüberfüllten Augen starrte sie auf ihre blutverschmierten Hände, die noch immer auf ihrem Schoss lagen. Dort, wo Rodebert gerade noch gelegen hatte. Die Tränen liefen über ihre zarten Wangen herunter. Sie konnte es nicht glauben. Ihr Blick war noch immer auf ihren Schoss gerichtet. Genau dorthin, wo der sterbende Rodebert lag als er seinen letzten Atemzug machte. Eine Träne tropfte von ihrer Wange und fiel auf ihre Hand. Sie schloss die Augen. Sie schloss die Augen und fühlte den Schmerz, den Verlust. Sie konnte seine letzten Worte noch hören, sie hallten aus weiter Ferne in ihren Ohren: „Vergebt mir, Mylady, diesmal kann ich Euch nicht nach Hause geleiten. Ich wäre für Euch bis ans Ende der Welt gegangen, doch ist meine Reise nun zu Ende. Ich…“. Das Atmen fiel im schwer, Blut trat aus der Wunde an seiner Brust heraus. Sie konnte ihn genau vor sich sehen. Ihr Herz drohte zu zerspringen. Sie liebte ihn doch so sehr. Rodebert hustete und rang nach Luft, doch seine Augen sahen nur die ihren. Nichts konnte diesen Blick trüben, nicht einmal der bevorstehende Tod. „Ich…“, er versuchte erneut zu sprechen, „ich…werde niemals Euer wunderschönes Gesicht vergessen.“ Unter Schmerzen und mit allerletzter Kraft versuchte er seine Hand an ihre Wange zu führen, welche so sehr von Tränen überzogen war. „Verzagt nicht, …Mylady, …verzagt niemals…ich werde Euch immer lieben…“. Ihre Hand umfasste die seine, und sie küsste die raue Innenseite seiner Hand, als sie bemerkte, dass mit seinem letzten Atemzug das Leben aus ihm gewichen war. Und doch war sein Blick noch immer auf sie gerichtet, ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, ein zufriedenes Lächeln.


Sie öffnete ihre Augen und blickte gen Himmel. Dieser Schmerz, diese Hilflosigkeit brachten sie fast um den Verstand. Tränen über Tränen benetzten ihr Gesicht, als sie den Blick wieder auf ihre Hände richtete. Und in diesem Augenblick bemerkte sie, dass ihre Hände nicht mehr mit Blut bedeckt waren. Nicht nur, das Rodebert, um den sie so bitterlich weinte, nicht mehr da war, nun war auch das Blut völlig spurlos verschwunden. Sie blickte sich verstört um, sie konnte nicht verstehen, was hier vorging. Ungläubig blickte sie wieder auf ihre Hände, als sie von etwas an ihrer Schulter berührt wurde…


Anna blickte langsam auf. Es war die Hand ihres Freundes, die auf ihrer Schulter ruhte. Er war etwas später gekommen und hatte sie dann im Wald gesucht. Es war für sie als würde sie aus einem Traum erwachen, doch es war kein Traum. Sie kniete am Boden in ihrer schwarzen Jeans. Verwirrt und völlig unfähig zu sprechen blickte sie hoch zu ihrem Freund, der in diesem Moment ihre verweinten Augen sah. Ein weicher und liebevoller Ausdruck lag in seinem Gesicht, es sprach soviel Liebe aus seinen Augen, die gleiche Liebe, die sie auch in den Augen von Rodebert gesehen hatte. Anna stand langsam auf, umarmte ihren Freund aus tiefstem Herzen und wusste tief im Inneren, dass wahre Liebe immer wieder zueinander findet, egal wie viele Jahrhunderte es dauern mag…